Variantenuntersuchung
Seit dem Jahr 2012 wurden die folgenden Varianten gegeneinander abgewogen...
Bereits heute wird jedes vierte neugeborene Mädchen und jeder sechste neugeborene Junge seinen 100. Geburtstag feiern können.
Der Kulturtourismus muss sich auf eine immer älter werdende Gesellschaft einstellen. Dieser Entwicklung kann nur mit Modernisierungen in Richtung Barrierefreiheit Schritt gehalten werden.
Die Idee des Schrägaufzuges zur Leuchtenburg wird daher durch die Stiftung Leuchtenburg für eine Erreichbarkeit ohne Hindernisse verfolgt. Mehrere Varianten zum Trassenverlauf wurden seit dem Jahr 2012 gegeneinander abgewogen, um eine optimale Einbindung in die Natur- und Kulturlandschaft zu erreichen.
Die Frage „Wie kommen wir hoch?“ beantwortet sich in der heutigen Gesellschaft am einfachsten mit „Mit dem Auto!“ Doch unsere Burg liegt in keiner Stadt. Hat keine großen Flächen um sich herum, sondern wurde auf einem Bergkegel 400 Meter über Normalnull errichtet. Bei ihrem Bau vor 800 Jahren musste dieses logistische Problem nicht mit gelöst werden. Es gab ausreichend Pferdeställe.
Historie: Das Thema „Parkplatz“ hat seit der Erfindung des Automobils daher alle Betreiber auf der Burg beschäftigt. Die im Staatsarchiv von Weimar aufbewahrten Baudokumente belegen verschiedene Planvarianten ab dem Jahr 1929. 1930 wurde der komplette Burggraben mit Parkflächen ausgestattet, was für damalige Verhältnisse ausreichte. Doch immer mehr Menschen konnten sich Autos leisten und auf den Komfort nicht mehr verzichten.
Die Gemeinde Seitenroda errichtet 1969 auf dem südwestlich am Fuße der Burg errichteten Grundstück „Butterfladen“ einen großen Gästeparkplatz für über 100 PKW um das unkontrollierte Parken entlang der Wege zu beenden.
Seit deutlich gestiegenen Gästezahlen ab den 1990er Jahren zeigte sich, dass für Großveranstaltungen dieser Parkplatz nicht ausreichte und temporäre Wiesen am östlichen Dorfrand als zusätzliche Parkfläche angemietet werden mussten. Im Jahr 2015 erweiterte die Stiftung Leuchtenburg den Gästeparkplatz neben dem alten Bestandsparkplatz und konzentrierte damit die Gästeströme auch zur Entlastung der Dorfbewohner am westlichen Rande von Seitenroda.
Für eine Auffahrt von großen Bussen (50 Pers.) direkt bis vor das Burgtor ist die Straßenführung sowohl an der Auffahrt als auch an der Abfahrt völlig unzureichend; zu schmal und auch die Bebauung im Ort zu eng.
Aber auch heute kriegen wir auf die Frage, „Warum braucht ihr diesen Aufzug?“ immer als erste Lösung unterbreitet: „Fahrt doch mit Shuttlebussen!“ Dabei muss der Bedarf herausgestellt werden. Es handelt sich nicht um Busse in Rufbereitschaft. Etwa einen Hausmeister als temporären Fahrer, der ansonsten andere Tätigkeiten ausübt. Der Bus wird für einen vergleichbaren Standard – also eine permanente Erreichbarkeit ohne Barrieren - immer im Rahmen der Öffnungszeiten angeboten werden müssen. Die Burg öffnet an 365 Tagen. Er muss über eine auskömmliche „Förderleistung“ verfügen und daher mindestens mit zwei Fahrten eine Busgruppe nach oben befördern können. Da mit Dieselfahrzeugen keiner weder durch das Dorf noch permanent neben dem Naturschutzgebiet fahren möchte, kommen nur herabsenkbare (Niederflur) Elektrobusse in Betracht. Hier wiederum müssen mindestens zwei Busse angeschafft werden, um die Ladeintervalle bei der 14 prozentigen Steigung auszugleichen. Abgesehen von den unwirtschaftlichen Betreibungs- und Anschaffungskosten ist die Belästigung der Einwohner zu nennen, denn sieben Häuser befinden sich unmittelbar an der Abfahrt der Burgstraße und damit neben dem permanenten Shuttlebetrieb.
Nun kommt der berechtigte Hinweis: „Aber ihr fahrt doch auch jetzt bereits die Busgruppen auf die Burg und lasst Schwerbehinderte oben aussteigen“ – ja, jetzt sind es Einzelfälle, die auf telefonische Reservierung vorab genehmigt werden. Offiziell ist die Straße für den öffentlichen Verkehr durch entsprechende behördliche Anordnung und Ausschilderung mit einem Verbotsschild gesperrt. Durchfahrt ist lediglich dem Anwohner- und Lieferverkehr sowie dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gestattet. 2019 hatten wir 281 Busgruppen; der Shuttleanbieter fuhr über 1.000-mal auf die Leuchtenburg. Dieses Angebot gibt es aktuell nur exklusiv und auf Nachfrage. Es ist nicht für jedermann zugänglich. Nicht spontan und nicht für ein selbstbestimmtes Reisen. Es ist auch unter der derzeitigen Straßensituation und dem begrenzten Platzangebot auf der Burg nicht ausbaufähig. Für einen dauerhaften Einsatz müsste für eine Genehmigungsfähigkeit parallel zur Fahrstraße ein drei Meter breiter Fußweg angelegt werden um Fußgänger und Autoverkehr sicher zu trennen. Aktuell drängen sich die Fußgänger eng an die Seite, wenn ein Shuttlebus passiert. Kinderwagen werden ins Bankett geschoben. Der Burgberg müsste auf einer Länge von mindestens 500 Metern abgegraben und abgestützt werden. Ein erheblicher Eingriff für das Landschaftsbild, Naturschutz und damit auch den Denkmalschutz. Der nördliche Abfahrtsweg müsste für den Fußgängerverkehr gänzlich gesperrt werden, wenn nicht ebenso eine drei Meter Verbreiterung realisiert werden sollte. Auf den oberen Metern kurz vor dem Burgplateau jedoch, ist eine Verbreiterung von den baulichen Gegebenheiten nicht möglich. Hier müsste ein Ampelverkehr etabliert werden.
Eine Seilbahn ab Kahla in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes hätte viele Vorteile und wurde von uns bereits im Jahr 2012 untersucht. Die damit entstehende Anbindung an den Bahnverkehr sowie den Saale-Radwanderweg und den Saale-Wassertourismus wären sehr attraktiv für die umweltschonende Erreichbarkeit der Burganlage. Jedoch stehen hier Aufwand und Nutzen insbesondere unter dem Aspekt des Landschaftsschutzes in keinem guten Verhältnis, da die Seilbahn und die notwendige Errichtung eines Mittelpfostens an der Schulter des Dohlensteins auf einer Strecke von 1,5 km direkt über ein besonders artenreiches Naturschutzgebiet führen würde. Auch ist das Überfahren von Grundstücken durch eine Seilbahn eigentumsrechtlich genehmigungspflichtig und die Stiftung Leuchtenburg verfügt nicht über die Grundstücke. Neben hohen Personal- und Investitionskosten ist eine Seilbahn nur bedingt selbstbestimmt durch Rollstuhlfahrer zu benutzen, da sie sich in einem ständigen Rotationsbetrieb befindet und die Kabine mit Abstand zum Boden beim Einstieg nur mit einer Rampe zu erreichen wäre. Zusätzlich fällt negativ bei der Variantenuntersuchung ins Gewicht, dass der Bahnhof Kahla aktuell nicht barrierefrei ist.
Als dritte Variante wurde die Errichtung eines Schrägaufzuges vom neuen Parkplatz unterhalb der Burg nach oben südlich zum Schleierturm bzw. in einer leicht angepassten Variante nördlich zum Kleiderturm untersucht. Dabei würde der Streckenverlauf relativ kurz über ca. 160 m Fahrstrecke 61 Höhenmeter überwinden. Eine kurze Fahrzeit von nur 2 min bei einer Geschwindigkeit von 2 Metern pro Sekunde steht für eine hohe Leistungsfähigkeit der Anlage. Der Schrägaufzug überzeugt insbesondere durch nachhaltige Elektromobilität, geringe Betriebskosten, personalunabhängige Fahrweise sowie barrierefreien und selbstbestimmten Zugang für Mobilitätseingeschränkte. Abwägungen unter Denkmalaspekten merkten positiv an, dass die Burganlage an sich nicht durch den Aufzug berührt, jedoch negativ, dass das Landschaftsbild mit einer teilweise sichtbaren Schneise beeinträchtigt werden würde, denn bei dieser Trasse handelte es sich noch um eine komplett überirdisch verlaufende. Für uns stand fest, dass ein Schrägaufzug auch im Vergleich mit anderen Burgen in Europa die beste Variante für eine barrierefreie Erreichbarkeit ist. In den folgenden Varianten haben wir daher die Idee des Schrägaufzuges in unterschiedlichen Bauvarianten über mehrere Jahre weiterentwickelt. Das Stiftungsteam der Leuchtenburg hat verschiedene Höhenburgen im Ausland besucht, die über einen Aufzug erschlossen sind, mit Mitarbeitern gesprochen, und positive wie auch negative Belange abgewogen.
Ein Schrägaufzug, der technisch in der Lage ist, Kurven zu fahren und damit parallel zur Straßen- bzw. zur Fußwegtrasse auf die Burg fahren kann, wurde anschließend intensiv untersucht. Positiv fallen dabei landschaftsgestalterische Aspekte auf, da ein besseres Einfügen ins Gesamtensemble möglich ist. Die Trasse würde erdgebunden mit nur wenigen Aufständerungen auf einer Strecke von 430 m zunächst zwischen Burgauffahrt und Weinberg verlaufen, dann westlich in der Burgwald abbiegen, dort einem alten Waldweg folgen und in unmittelbarer Nähe des Besucherzentrums und damit des Burgeingangs enden. Technisch war diese Variante jedoch nicht ausgereift und bislang gab es nur einen relativ kleinen Anbieter weltweit, was ein Risiko in der Umsetzung darstellte. Die maximale Fahrgeschwindigkeit beträgt bei dieser Variante nur ein Meter pro Sekunde und die maximale Kabinengröße war auf 14 Personen beschränkt. Um dennoch die notwendige Förderkapazität an Gästen pro Stunden zu gewährleisten, wurde eine zweigleisige Trasse mit je zwei und insgesamt vier Kabinen untersucht. Unter dem Aspekt der Eingriffsminimierung muss man jedoch konstatieren, dass die lange, doppelte Fahrtrasse, die aus Sicherheitsgründen mit einem Wildschutzzaun abgezäunt werden muss, neben den übrigen Defiziten der langen Fahrzeit von sieben Minuten, insgesamt negativ zu bewerten war.
Nach einem anregenden Diskurs durch Beteiligung der Einwohner von Seitenroda kam auch die Variantenprüfung einer kompletten Tunnellösung in Betracht, die im Gemeinderat öffentlich besprochen wurde. Die vorgebrachten Erschließungsmöglichkeiten (siehe Bericht der Ostthüringer Zeitung vom 22.3.2016, online abrufbar) gingen von einem zunächst waagerecht zum Burgberg hin verlaufenden Tunnelschacht und dann einem sich senkrecht anschließenden aufsteigenden Schacht aus, der je nach Variante direkt im Burgbrunnen oder am Schleierturm oder am Besucherzentrum enden sollte. Vorteile dieser Variante wären der lediglich unterirdisch erfolgende Eingriff und die ansonsten optische Unberührtheit des Kulturdenkmals. Die finanzielle Voruntersuchung erwiesen sich für das Projekt jedoch als nicht realisierbar. Bis zum Burgbrunnen, dessen öffentliche Nutzung für einen Aufzugsschacht aus denkmalpflegerischen Gründen nicht möglich ist, sind bereits 240 Meter unterirdischer Schachtvortrieb zu realisieren; bis zum Besucherzentrum 260 und bis zum Schleierturm immer noch 130 Meter. Der NABU Thüringen e.V. hat unabhängig zu dieser Variante einen eigenen geologisch untermauerten Vorschlag in seiner Stellungnahme erarbeitet. Nach Prüfung dieses innovativen Gedankens, muss jedoch auch aus sicherheitsrelevanten Aspekten einem teilüberirdischen Verlauf der Vorzug gegeben werden. Die Absicherung wäre für die ehrenamtlich basierte regionale Feuerwehr nicht zu leisten und daher in der Betreibung für die Stiftung Leuchtenburg nicht durchführbar.
Nach langjähriger Planungszeit und Variantenabwägung wurde die ursprüngliche, gerade Variante eines Schrägaufzuges durch eine Teiluntertunnelung modifiziert und zeigt sich dadurch unter denkmalpflegerischen und naturschutzrelevanten Gesichtspunkten als Vorzugsvariante. Auch stellt diese Variante für die Einwohnerschaft des Dorfes den geringsten Eingriff dar, da man außer einer kleinen, wenig einsehbaren Eingangssituation und einem Vorplatz keine Betroffenheit erzeugt und jegliche Prozesse des Starts/ der Ankunft unterirdisch verlaufen. Dabei wurden zunächst aufgrund einer noch unklaren Eigentumssituation zwei Startpunkte untersucht: einmal auf dem Sondergebiet des neuen Gästeparkplatzes der Leuchtenburg, was jedoch eine aufwendige Untertunnelung der Landesstraße nach sich führen würde, und ein Start direkt gegenüber. Die Eingleisigkeit, der Einsatz lediglich einer Kabine mit einer auf Langfristigkeit ausgerichteten 30 Pers. Kapazität sowie die kurze Trassenführung sind eindeutige Vorteile unter dem Aspekt der Eingriffsminimierung. Das Denkmal „Leuchtenburg“ wird bei dieser Trassenführung, die 146 Meter gesamt aufweist, wobei davon 45 m in einem unterirdischen Fahrschacht verlaufen, wenig optisch beeinflusst. Die Trassenführung erfolgt überwiegend bodennah und durch den „Waldpark“ wenig bis kaum einsehbar. Weinlauben und Weinterrassen sollen ein wesentliches Gestaltungsmerkmal bilden und fügen sich harmonisch in die aktuelle Weinbergoptik ein. Für die finale Variante wurde im Jahr 2022 Baurecht erteilt. Das Projekt wird in den Jahren 2023 und 2024 realisiert werden.
Europaweit hat sich eine barrierefreie und touristische Erschließung der Höhenburgen mittels eines Schrägaufzuges bereits stark etabliert, was in einer Studie seitens der Stiftung Leuchtenburg untersucht wurde. Lediglich in Deutschland ist dieser Lebens- und Überlebensstandard für Gäste und Betreiber gleichermaßen noch eher unterdurchschnittlich repräsentiert. Die südlichen und östlichen Staaten in Europa sind bezüglich der nachhaltigen Erschließung ihrer Kulturdenkmäler gegenüber Deutschland einen deutlichen Schritt voraus sind. Mehrere dieser Burgen wurden durch Vertreter der Stiftung Leuchtenburg besucht und praktische Erfahren, wirtschaftliche Auswertung sowie wichtige Hinweise in die eigene Projektrealisierung zur Leuchtenburg aufgenommen.
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